Der ländliche Raum


Die Attraktivität und Anziehung des ländlichen Raums nimmt – trotz der zunehmenden Tendenz in Städten zu leben – seit Jahren rasant zu (siehe auch die Abbildung). So zählen Publikumszeitschriften wie ‚Landlust‘ zu den auflagenstärksten und meistverkauftesten Zeitschriften in Deutschland. Anziehend wird der ländliche Raum besonders für Touristen.
Während zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Deutschland noch etwa 80 % der Menschen in der Landwirtschaft arbeiteten, sind es inzwischen nur noch etwa 2 %. Dabei vergisst man allerdings leicht, dass sich die landwirtschaftliche Nutzfläche dabei nicht so drastisch verändert hat, wie der Arbeitsmarkt. Immer noch besteht die Bundesrepublik etwa zur Hälfte aus solchen Nutzflächen und etwa zu 30 % aus Wald (vgl. Schäfers 2010:146f.).
Die Ursprünge der Erforschung des ländlichen Raums aus geographischer Sicht liegen zu Beginn der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts unter dem Einfluss der Münchener Schule der Sozialgeographie. Ab Mitte der 60er Jahre begann sich diese Forschungsrichtung stark auf ihre Anwendbarkeit in der Raumplanung zu konzentrieren. Dieses Kapitel folgt im Wesentlichen Grabski-Kieron (2007) und Scholz (2007).


Mitteleuropa

Die stark heterogenen ländlichen Räume Mitteleuropas stellen eigenständige Kulturlandschaften dar, die sich nur schwer typisieren lassen. Grabski-Kieron (2007:604f.) unterscheidet strukturell-analytische, funktional-analytische und solche Definitionsansätze, die Funktionspotentiale zu Grunde legen. Allen drei gemeinsam ist, dass sie eine anwendungsorientierte Perspektive einnehmen.

Strukturell-analytische Definitionen: Bei diesem Ansatz wird versucht den städtischen vom ländlichen Raum mittels demographischer Daten, wie der Einwohnerdichte, sozioökonomischer, wie dem Einkommen oder mittels die Siedlungsstruktur betreffender Daten abzugrenzen.

Funktional-analytische Definitionen: Auch bei diesen Definitionsansätzen wird versucht Stadt und Land auseinanderzuhalten. Dabei wird allerdings eher an Funktionen angeknüpft, die ländlichen Räumen zukommen und diese mit Agglomerationsräumen in Verbindung stehen.

Auf Funktionspotentialen beruhende Definitionen: Etwas weiter gehen Ansätze, die nicht nur Funktionen, sondern auch Funktionspotentiale miteinbeziehen. Zu den Funktionen, die in Frage kommen, gehören die Wohn-, Arbeitsplatz, Produktionsfunktion, die Bereitstellung von Ressourcen, der Umweltschutz oder der Tourismus.

Wir halten uns im Folgenden an Grabski-Kierons (2007:605) Arbeitsdefinition (Hervorhebungen von mir):


Der ländliche Raum ist Teil des Gesamtraumes, der durch eine in hohem Maße land- und forstwirtschaftlich genutzte oder zumindest geprägte Freiraumstruktur und durch vorherrschend freiraumbezogene Ressourcennutzung gekennzeichnet ist. In ihm herrscht eine disperse Siedlungsstruktur mit vorrangig gering- bis mittelzentralen und azentralen Siedlungen vor.

Die ländlichen Räume Europas befanden sich seit jeher im Wandel. Der Strukturwandel im 20. und 21. Jahrhundert nahm und nimmt allerdings bisher nicht gekannte Ausmaße an. Dies lag und liegt beispielsweise an technischen (mechanischen wie chemisch-biologischen) Neuerungen oder z.B. an der Annäherung ehemals sozialistisch geprägter Agrarlandwirtschaften an die kapitalistische Marktwirtschaft. Die anzutreffenden Formen der agrarbewirtschafteten Flächen unterscheiden sich allein schon in ihren Größenordnungen: Sie reichen von 1 bis 2 Hektar Fläche, die wie z.B. in Polen der Subsistenzwirtschaft dienen, bis zu Flächen, die mehrere Tausend Hektar beanspruchen, wie in England oder Spanien (Grabski-Kieron 2007:608).

Exkurs: Subsistenzwirtschaft
Subsistenzwirtschaft bezeichnet eine Form des Wirtschaftens, die auf den Eigenbedarf abzielt. Die Subsistenz ist dabei das ökonomische Prinzip, der Selbstversorgung (als Praxis) zu Grunde liegt.

 

Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Landwirtschaft – wie der primäre Sektor insgesamt – in Europa und hier besonders in den älteren EU-Staaten an Bedeutung verliert. In Grenzertragslagen, wie den Mittelgebiergen, verschwand so die Landwirtschaft und in Gebieten höherer Produktivität, wie den Lößlandschaften im Südwestdeutschen Schichstufenland oder den norddeutschen Börderegionen kam es auf der anderen Seite zu einer Intensivierung. Viele Landwirte entwickelten Strategien, um diesem Bedeutungsverlust entgegen zu wirken. So gehen viele ihrem Beruf heute nur noch nebenberuflich nach und verdienen sich z.B. durch Tourismus etwas hinzu, produzieren ökologisch oder vermarkten ihre Produkte selbst. Viele Arbeitsplätze der Landwirtschaft wurden seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts in den sekundären Sektor verlagert. Durch die Globalisierung und die Verlagerung dieses Sektors in billigere Länder gingen zwar wieder zahllose Arbeitsplätze verloren, dieser Trend galt und gilt aber stärker für städtische denn für ländliche Räume. Graski-Kieron (2007:610) begründet dies unter Verweis auf Wießner (1999) damit, dass in ländlichen Räumen meist klein- und mittelständische Unternehmen vorherrschen, die „sofern sie an der technologischen Entwicklung teilnehmenm, leichter in der Lage [sind], flexibel auf veränderte Marktanforderungen zu reagieren, Nischen zu besetzen und Marktsegmente für sich zu gewinnen.“

Exkurs: Globalisierung
Unter dem Begriff Globalisierung versteht man nicht einfach nur die weltweite wirtschaftliche und private Vernetzung der Menschen, denn diese gibt es schon seit den Römern oder noch umfassender seit der Entdeckung Amerikas. Der Begriff meint vielmehr eine besonders durch moderne technische Neuerungen wie dem Telefon und der Internet und Fortschritte in der Mobilitätstechnologie sowie deren Massentauglichkeit begünstigte Entwicklung mit völlig neuer Qualität. Die Globalisierung umfasst dabei die Wirtschaft, das Privatleben, die Kultur, die Kommunikation, die Politik usw. Schäfers (2010:117) führt folgende Punkte zur Charakterisierung der Globalisierung nach der digitalen Revolution an:

  • „die Zunahme transnationaler Unternehmen, Investitions- und Finanzströme;
  • der über die neuen Medien ermöglichte Austausch von riesigen Datenmengen, Informationen und Arbeitsaufgaben zu jeder Zeit an jedem Ort der Erde;
  • die Auswirkungen der globalisierten Formen von Arbeitsteilung auf die nationalen Volkswirtschaften, den Sozialstaat und die Migrationsströme [...]
  • die praktisch mögliche und im rasanten Aufbau befindliche Erreichbarkeit jedes Individuums [...] in Echtzeit.“

Um zum Ausdruck zu bringen, dass Globalisierungprozesse auch immer Auswirkungen auf der lokalen Ebene haben, wird manchmal auch der Begriff der Glokalisierung verwendet, der das Verhältnis zwischen globaler Ausrichtung und lokaler Verortung bezeichnet (Haas & Neumair 2007:108).


Fortschritte in modernen Kommunikationstechnologien schürten in den 1990er Jahren die Hoffnung, diese könnten durch Dekonzentrationseffekte zu einem Aufschwung ländlicher Räume führen. Dennoch haben sich Unternehmen, die sich Kommunikations- und Informationstechnologien bedienen – egal welcher Größe – eher im urbanen Raum angesiedelt, denn auf dem Land.
Zu den wichtisten planerischen Aufgaben für den ländlichen Raum zählt heute der Schutz dieser Landschaften, deren zahllose ökologische Funktionen besonders durch Schadstoffeinträge, Bodenversiegelung und Landschaftszerschneidung bedroht sind.
Für Deutschland gelten im Vergleich zu anderen europäischen Ländern besondere Bedingungen für den ländlichen Raum. Während die meisten Staaten relativ große (Haupt-)Zentren wie Rom oder London besitzen, weist Deutschland eine multipolare Siedlungsstruktur auf, die auf die politisch-territoriale Zersplitterung des Landes vor der Reichsgründung 1871 zurückzuführen ist: „Fast jeder zweite Bundesbürger wohnt in einer Klein- oder Mittelstadt mit 10.000 bis 20.0000 Einwohnern, und nur rund je ein Viertel der Einwohner entfallen auf Städte mit mehr als 200.000 bzw. mit weniger als 10.000 Menschen“ (Birg 2011:45).

Die postindustrielle Landwirtschaft


Der Agragsektor spielt, betrachtet man rein die Anzahl der dort in Europa beschäftigten Menschen, kaum noch eine Rolle. Betrachtet man die Landwirtschaft jedoch von einem finanziellen Standpunkt aus, ergeben sich einige interessante Ungleichgewichte: Während z.B. in Deutschland weniger als 5 % der Beschäftigten im Agrarsektor arbeiten und dieser nicht einmal mit 2 % zu, Bruttoinlandsprodukt beiträgt, liegt der Anteil des EU-Haushalts in diesem Sektor bei etwa 50 %. Allerdings mit sinkender Tendenz (Gebhart 2007:166f). Bereits in den 1950er Jahren begann man mit einer gemeinsamen, europäischen Agrarpolitik, deren Subventionen zu einer viel umstrittenen Überproduktion führte (Butterbergen und Milchseen). Diese Agrarpolitik führt aber auch heute noch dazu, dass europäische Agrarprodukte konkurrenzfähig sind. Umgekehrt fühlen sich Bauern aus Nicht-EU-Ländern oft benachteiligt. Erst 2006 verabschiedete sich die EU von den Subventionen für Zuckerrübenanbau, was Zuckerrübenbauern, z.B. aus Brasilien wieder einen Vorteil verschaffte. Gebhardt (2007:166) beschreibt den seit der Nachkriegszeit durch die EU-Zusammenarbeit sich vollziehenden Strukturwandel in der deutschen Landwirtschaft wie folgt:


Der Strukturwandel in der Agrarwirtschaft Deutschlands hat zur Ausräumung naturnaher Elemente der Agrarlandschaft durch Flurbereinigung und Drainage von Feuchtgebieten, zur Zunahme großflächiger Monokulturen aufgrund von Spezialisierung und Betriebsvergrößerung und zur Aufgabe traditioneller Fruchtfolgesysteme geführt. Charakteristisch ist die Verwendung schwerer Landmaschinen, hoher Chemiedünger- und Pestizideinsatz sowie bodenunabhängiger Massentierhaltung mit nur schwer entsorgbarer Gülleproduktion.

Die industrielle Agrarproduktion braucht natürlich auch moderne Methoden der Bewirtschaftung. In Südoldenburg, in der Nähe der Städte Vechta und Cloppenburg, hat sich das technologische Zentrum der erforderlichen Technologien entwickelt. Als Gegentrend zeichnet sich seit den 1980er Jahren eine Zunahme der Bio-Produktion ab, die seit 1989 auch finanziell gefördert wird.

Sonderkulturen

In der Frühen Neuzeit gab es in Deutschland zwei grundverschiedene Arten der Vererbung. Im Westen und Südwesten der heutigen Republik herrschte die sogenannten Realteilungssitte vor. Haus und Grundstück wurde dabei gleichmäßig an alle Erben verteilt. Im Norden und Südosten dagegen herrschte das sogenannte Anerbenrecht vor. Dabei wurde das gesamte Grundstück an den ältesten Sohn der Familie weitervererbt, der Rest wurde ausbezahlt. Daraus resultieren auch die größeren landwirtschaftlichen Betriebe in Norddeutschland. Infolge der stärkeren Flurzersplitterung im Westen und Südwesten, wurde versucht den Boden der kleineren Grundstücke intensiver zu nutzen, was besonders durch den Anbau von sogenannten Sonderkulturen umgesetzt wurde. Sonderkulturen sind solche Pflanzen, deren Anbau besonders Arbeitsintensiv ist, die aber gleichzeitig einen höheren Ertrag erzielen. Sie erwirtschaften einen höheren Ertrag, sind allerdings durch ihre stärkere Marktabhängigkeit auch mit mehr Risiko behaftet. Solche Sonderkulturen sind in Deutschland unter anderem Wein oder Hopfen. Obwohl letzterer großflächig und damit billig in den USA oder in China angebaut wird, bestehen die kleineren Anbaugebiete v.a. in Süddeutschland (Hallertau) weiter. Diese setzen vor allem auf Qualität bei gleichzeitigem Einsatz modernster Technik (Schenk 2007). Der durch die Realteilung bedingte Flurzersplitterung wurde besonders in den 1950er Jahren mit dem sogenannten grünen Plan entgegen gewirkt, in dessen Rahmen es vor allem in Baden-Württemberg und Hessen zu Flurbereinigungen kam.
Allerdings gibt es auch im Norden Deutschlands, der traditionell nicht m Realteilungsgebiet gehörte, gibt es zahlreiche Sonderkulturen. So z.B. in Hamburg und Niedersachsen, das sogenannten Alte Land, Deutschlands größtes Obstbaumgebiet, Deutschlands größtes Baumschulengebiet Pinneberg, nahe Hamburg oder die Marsch- und Vierlande, das größte Blumenanbaugebiet der BRD. Schenk (2007:144) nennt als Gründe für das Überdauern dieser Sonderkulturen im Norden trotz gesunkener Transportkosten drei wesentliche Gründe: das Beharrungsvermögen, Agglomerationsvorteile und die Anbautradition.

 

Ländlicher Raum in den Tropen

Der Großteil der Bevölkerung der Tropen, die etwa die Hälfte der Erdbevölkerung ausmachen, lebt im ländlichen Raum. Allein diese Tatsache lässt klar werden, dass diese Zone der Erde besonders belastet ist – für den ländlichen Raum der Tropen bedeutet dies vor allem eine Belastung durch agrarische Nutzungen. Dabei spielt hauptsächlich die Art und damit die Nachhaltigkeit (siehe auch den Exkurs über Nachhaltigkeit) der Bewirtschaftung eine Rolle. Scholz (2007:616) führt aus:


Um die Existenz eines Durchschnittshaushalts von fünf Personen sicherzustellen, reicht beim intensiven Bewässerungsfeldbau schon eine Betriebsgröße von 0,5 Hektar. Bei extensiveren Wirtschaftsformen, wie dem Wanderfeldbau, steigt der Bedarf auf 10 bis 15 Hektar und bei der extensiven Weidewirtschaft der Nomaden sind mindestens 100 bis 300 Hektar erforderlich.

Die Tropen befinden sich zwischen den Wendekreisen, also zwischen 23°16′nördlicher und südlicher Breite und weisen eine hohe und stabile Mitteltemperatur mit unterschiedlichen hygrischen Verhältnissen (bei gleichzeitigem Fehlen von Jahreszeiten) auf. Sie lassen sich unterteilen in die feuchten Tropen (über 6 humide Monate pro Jahr) und trockenen Tropen (weniger als 6 humide Monate im Jahr). Aus Sicht der Pflanzen herrschen in den Tropen hervorragende Bedingungen, da das zur Photosynthese notwendige Sonnenlicht in den trockenen Tropen am höchsten überhaupt und in den feuchten Tropen immer noch in überdurchschnittlichem Maße vorhanden ist. [In den feuchten Tropen gibt es weniger Sonnenlicht, da häufig Wolken am Himmel stehen.] So kann in den feuchten Tropen ganzjährig angebaut werden. Geeigneit sind besonders einjährige Nutzpflanzen wie Mais oder Hülsenfrüchte, die zwei- bis dreimal im Jahr geerntet werden können. Zwar liegen in den feuchten Tropen mit weit verbreitetem Vorkommen von Ferralsolen und Acrisolen keine günstigen Bodenbedingungen vor, dies wird jedoch durch das andauernde und reichhaltige Angebot an Licht, Wärme und Wasser ausgeglichen. Demgegenüber stehen aber auch Gebiete mit besonders guten Böden, wie die Stromtiefländer Süd- und Südostasiens. Ein weiterer Nachteil der feuchten Tropen ist die gute Verbreitungsmöglichkeit für Krankheitserreger und Seuchen, die Pflanzen, Tieren und Menschen zu schaffen machen. Obwohl in den trockenen Tropen die Bodenqualität zunimmt, verringert sich dort das Wasserangebot. Mit nur einer Regenzeit im Jahr, ergibt sich logischerweise auch nur eine landwirtschaftliche Saison. Allerdings gibt es dafür auch weniger gute Bedingungen für Krankheitserreger und damit hervorragende Bedingungen für die Viehweidewirtschaft. Das häufig vorkommende Jagdwild dürfte ein Grund gewesen sein für die frühen afrikanischen Hochkulturen, die gerade in den semiariden Tropen und deren Trockensavannen entstanden sind. Hin zu den Wendekreisen erreicht man ab einem Niederschlag von weniger als 500 mm und weniger als 3 humiden Monaten die sogenannte agronomische Trockengrenze (Scholz 2007:617f.).

Exkurs: Nachhaltigkeit
Unter dem Begriff Nachhaltigkeit versteht man Verhaltens- und Wirtschaftsweisen, die auf Ressourcen nur so zurückgreifen, dass das System, in dem sie sich befinden nicht beeinträchtigt wird. Man verhält sich und wirtschaftet also so, dass nachfolgende Generationen den gepflegten Lebensstandard aufrecht erhalten können und nicht beeinträchtigt werden. Der Befriff wurde bereits in den 1840er Jahren in der Forstwirtschaft geprägt und beschrieb den Ausgleich zwischen Holzentnahme und Wiederaufforstung. Nachhaltigkeit (engl. sustainability) bildete den Leitgedanken der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung (Rio de Janeiro 1992) und damit der Agenda 21. Der Begriff lässt sich operationalisierten nach den drei Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales.

Im Gegensatz zu den trockenen, wurden die feuchten Tropen erst spät erschlossen. Scholz (2007:618) nennt dafür die folgenden drei Gründe:

Aufgrund der nährstoffarmen Böden bleibt bei einer agrarischen Nutzung nichts anderes übrig, als shifiting cultivation, also extensiven Wanderfeldbau, zu betreiben. Dabei wird zunächst eine ausgesuchte Fläche brandgerodet (slash and burn), was erstens Schädlinge und Unkraut beseitigt und zweitens durch die enstehende Asche eine düngende Wirkung hat. Häufig auftretende Regenfälle, führen jedoch innerhalb kürzester Zeit zur Auswaschung der Nährstoffe. Die Landwirte sind gezwungen weiterzuziehen. Oder in Zahlen: Auf ein Jahr Nutzung müssen 10 bis 15 Jahre Brache zur Regeneration erfolgen, da sonst der Ertrag niedrig bleibt und sich das Unkraut seinen Weg bahnt. Dies hat drastische Folgen für den Flächenverbrauch:


Um 1 Hektar Land zu kultivieren zu können, benötigt ein Haushalt also etwa 10 bis 15 Hektar Reserveland unter Waldbrache. Shifting cultivation ist somit sehr flächenaufwendig und kann nur in sehr dünn besiedelten Regionen mit ausgedehnten Waldreserven funktionieren. Man kalkuliert mit einer Tragfähigkeit von kaum mehr als 30 Personen pro km² – ein Wert, der in weiten Teilen der feuchten Tropen längst überschritten ist. Außerdem geht der Wanderfeldbau sehr verschwenderisch mit Ressourcen um: Für die Produktion von 1 Tonne Getreide werden bis zu 300 Tonnen Biomasse geopfert! Auf den Verlust von wertvollem Nutzholz weisen Vertreter der Holzwirtschaft immer wieder hin – wohl auch, um von ihrer eigenen Rolle bei der Regenwaldzerstörung abzulenken [...] (Scholz 2007:618).

Da aber nicht nur wenige, sondern viele Menschen in den Tropen leben, sprich ein hoher Bevölkerungsdruck herrscht, sind viele Landwirte gezwungen das bestellte Land nur möglichst kurz brach liegen zu lassen. Dies bietet besonders Gräsern gute Wachstumsbedingungen, was eine Savannisierung zur Folge hat: es entstehen Grasfluren.
Durch eine gestiegene Weltmarkt-Nachfrage an z.B. Kaffee, Kakao, Tee, Bananen, Zuckerrohr oder Kautschuk, wurden zunächst durch Kolonialisten, später auch durch Ortsansässige, ehemalige shifing cultivation-Flächen, dauerhaft mit Baum- und Strauchkulturen bebaut: „Statt 10 bis 15 Hektar reichen jetzt 1 bis 1,5 Hektar Land, um eine Familie zu ernähren“ (Scholz 2007:619). Dies hat enorme ökologische Vorteile: Die Bäume und Strächer spenden Schatten, was zu einer ausgeglichenen Bodentemperatur führt und das hemmt das Wachstum von Unkraut und das Wurzelwerk stabilisiert den Boden. Zwar dauert es nun länger, bis ein Ertrag erzielt werden kann und die Bauern sind enorm abhängig vom Weltmarkt, dies lässt sich jedoch ausgleichen, indem man Mischwirtschaft betreibt und zwischen den Baum- und Strauchkulturen auch einjährige Nutzpflanzen für den Eigenbedarf anbaut.
Bewegt man sich über die Wendekreise, über die klimatische Trockengrenze hinaus, erreicht man die trockenen Tropen, die weiter unterteilt werden in einen semiariden Gürtel mit charakteristischen Trockensavanne und einen ariden Gürtel, der von einer Dornenstrauchsavanne bis zu Wüste reicht. Im semiariden Gürtel, besonders in der Trockensavanne Westafrikas, wo sehr gut Weidewirtschaft und Ackerfeldbau betrieben werden kann, sind diese Formen der agrarwirtschaftlichen Produktion häufig getrennt; in Westafrika bekannt sind z.B. das Volk der Haussa, die sich auf Tierhaltung spezialisiert haben (sogenannte Pastoralisten). Dies hängt mit der Regenzeit zusammen, die die Grenzen der Weideflächen je nach Saison verschiebt. So müssen die Tierhalter dauernd unterwegs sein, was eine Feldbewirtschaftung ausschließt:


Die saisonale Verschiebung der Weidegrundlage zwingt die Hirtenvölker zu einem jahreszeitlichen Wechsel der Weideflächen (Transhumanz) – allerdings nicht wie im mediterranen Raum in vertikaler Richtung von der Winterweide im Tiefland zur Sommerweide im Gebirge, sondern in horizontaler Richtung von der regenzeitlichen Weide in der Trockensavanne zur trockenzeitlichen Weide in Richtung Feuchtsavanne. (Scholz 2007:620)

Auch die Ackerbauern profizieren von dieser Art der Transhumanz: beim durchqueren der abgeerneten Felder fressen die Tiere Ernterückstände und düngen die Felder mit ihrem Kot. Die Bodenquälität lässt es zu, dass eine Brachedauer von nur etwa drei bis fünf Jahren bei gleicher Bewirtschaftungsdauer vonnöten ist. Durch die Bodenqualität kann aber auch Unkraut gedeihen, was ein häufiges Durchpflügen der Felder notwendig macht, was wiederum die Bodenerosion begünstigt. In den trockenen Tropen, teilweise auch in den feuchten Tropen, sind – ursprünglich durch Einwanderer eingeführte – Ranchbetriebe weit verbreitet.
Je weiter man sich in Richtung oder über die agronomische Trockengrenze hinweg bewegt (zur Erinnerung: weniger als 500 mm Niederschlag pro Jahr und weniger als 3 humide Monate pro Jahr), desto schwieriger gestaltet sich die Weidewirtschaft, da das Vieh zu große Flächen in Anspruch nehmen müsste, um genug Futter zu finden. Diese Gegenheiten zwang die Ortsansässige Bevölkerung dazu, saisonal ihren Standort zu verändern, i.e. Nomadismus zu betreiben. In der Trockensavanne eignen sich noch Rinder als Weidetiere, je mehr man sich der Wüste nähert, desto wahrscheinlicher wird es, Kamelen als Nutztieren zu begegnen. Die Nomaden, z.B. die Tuareg in Afrika, besaßen lange Zeit eine herausragende gesellschaftliche Stellung. Mit der Einführung moderner Transport- und Infrastrukturtechnik (sprich der Motorisierung) verlor das Kamel jedoch an Bedeutung; hinzu kam und kommt ein wachsender Bevölkerungsdruck der zu einer zu intensiven Nutzung des Weidelands und damit zu Desertifikation führte (Scholz 2007:624f.).
Haupsächlich in tropischen und subtropischen Gebieten Asiens, teilweise auch in Westafrika und zunehmend auch in Lateinamerika wird Reis angebaut, der die Haupternährungsquelle für etwa die Hälfte der Weltbevölkerung darstellt. Reis wird zumeist in Nassreisbau angebaut, da er große Mengen an Wasser benötigt (im Trockenfeldbau mindestens 200 mm Niederschläge pro Monat). Da es in den Tropen keine jahreszeitlichen Temperaturschwankungen gibt, kann 2 bis 3 mal pro Jahr geerntet werden – und das bei minimalem Flächeneinsatz. Auch ökologisch gesehen bietet der Nassreisbau viele Vorteile: „Die Bewässerung auf den eingeebneten und teilweise terrassierten Feldern schränkt den Unkrautwuchs ein, schützt den Boden vor Aufheizung durch die Sonneneinstrahlung, sorgt für die Zufuhr von Nährstoffen und verhindert Erosion“ Scholz (2007:626). In den Tropen Asiens wird diese aufwendige Art der Bewirtschaftung seit über 1000 Jahren erfolgreich und ohne erkennbaren ökologischen Nachteile betrieben. [Eine Ausnahme stellt das durch die Verrottung der Ernterückstände entstehende Methan dar, das den Treibhauseffekt begünstigt.]
Um die Erforschung und Verbesserung von Reissorten kümmert sich in Asien seit 1961 das International Rice Research Institute, das 1966 die Reissorte IR8 auf den Markt brachte, die im Gegensatz zu den klassischen Sorten einen fast doppelt so hohen Ertrag lieferte. So verbesserte sich die Lebenssituation zahlreicher Menschen enorm, eine Entwicklung, die heute als Grüne Revolution bekannt ist.

Der tropische Regenwald

Die tropischen Regenwälder sind trotz internationaler medialer Aufmerksamkeit und Umweltschutzmaßnahme immer noch akut gefährdet. Heute existieren noch etwa 40 Prozent des Ursprünglichen Regenwaldes. Scholz (2007:622) gibt für die Zerstörung des tropischen Regenwaldes u.a. folgende Gründe an:

Landnutzungswandel

In Deutschland herrschen drei große Formen der Flachennutzung vor: ca. 53 % der Fläche werden von der Landwirtschaft in Beschlag genommen, ca. 30 % besteht aus Wald und ca 13,2 % machen Siedlungs- und Verkehrsfläche aus. Dabei zeigt sich eine Tendenz zur Vergrößerung der Siedlungs- und Verkehrsfläche sowie einer leichten Vergrößerung der Waldfläche zuungunsten der Landwirtschaft. Die Verkehrsfläche nimmt seit über zehn Jahren etwa um 22ha pro Tag zu. Nimmt man die Siedlungs- und Verkehrsfläche zusammen so nimmt die Fläche jeden Tag um die 100ha pro Tag zu – und das obwohl in Deutschland im Jahr 2001 etwa 1,3 Millionen Wohnung leer standen (Glaser 2007:54f.). Zielvorgabe der Bundesregierung ist, bis 2020 den Flächenverbrauch auf 30ha pro Tag zu verringern. Die Zunahme gerade der Verkehrsflächen, führt zur Landschaftszerschneidung mit gravierenden Auswirkungen für die Pflanzen- und Tierwelt, da der genetische Austausch durch Verbauung verunmöglicht wird. Allerdings sind die unzerschnittenen Räume in Deutschland nicht gleich verteilt. Aufgrund der unterschiedlichen Geschichte von Ost- und Westdeutschland, gibt es im Osten einen wesentlich größeren Anteil an sogenannten ‚unzerschnittenen verkehrsarmen Räumen‘, die per definitionem mindestens 100km² groß sein müssen, zu weniger als 50 % aus Gewässer bestehen dürfen und nicht durch Straßen mit einem Verkehrsaufkommen von über 1000 KFZ pro Tag zerschnitten sein dürfen.

Beispiel: Wandel der Waldflächen

Als vor etwa 10.000 Jahren die letzte Kaltzeit zu Ende ging, war die Fläche des heutigen Deutschlands maßgeblich mit Wald, häuptsächlich bestehend aus Eichen, Kiefern, Fichten und Rotbuchen bedeckt. Hier lebten eine Jäger- und Sammler-Kultur, die den Wald als Nahrungsquelle nutzte. Die weitere Entwicklung des deutschen Waldes beschreibt Glaser (2007:56) mit den Schlagworten Vom Nähr-, zum Zehr- und Schutzwald. Bereits um 500 bis 900 n.d.Z. also während des Fränkischen Reiches, wurde der Großteil des Waldes gerodet. Spätestens ab dem Mittelalter und dem aufkommenden Städtewesen wuchs die Inanspruchnahme des Waldes nochmals. Etwa ab 1800 begann man die deutschen Wälden systematisch in Forste zu verwandeln, d.h. der natürliche Bestand wurde umgewandelt in einen Wald aus schnellwachsende und anspruchslose Nadelwälder. Der Wald diente hauptsächlich als Energielieferant, bis im Zuge des Industrialisierung des 19. Jahrhunderts Kohle als Energieträger Verbreitung fand. Man spricht mit Werner Sombart daher von der Zeit vor 1850 auch vom ‚hölzernen Zeitalter‘. Heute dient der Wald hauptsächlich der Erholung. Diese Entwicklung zeichnet sich allerdings erst seit kurzem ab. 1935 wurde das Reichsnaturschutzgesetz verabschiedet und 1970 mit dem Bayerischen Wald der erste Nationalpark eröffnet.
Ein gutes Beispiel für den Wandel der Nutzung von Wald ist der Schwarzwald. Der Mensch begann vor etwa 1000 Jahren damit, den Schwarzwald zu besiedeln. Bis ins 18. Jahrhundert hinein nutzte er ihn vor allem zur Entnahme von Brenn- und Bauholz und zur Ernährung der Tiere. Mit der aufkommenden Industrialisierung und Bergbau, Glashütten und Eisenverüttung führte aber zu einer Überbeanspruchung des Rohstoffs Holz. Bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts, waren etwa 30 % des Schwarzwalds abgeholzt. Die bald in Angriff genommene Aufforstung setzte auf anspruchslosen und schnellwachsenden Fichten, die dem ehemaligen Mischwald ihr heutiges Aussehen verliehen haben. Heute hat ein Umdenken stattgefunden und die moderne Wiederaufforstung setzt heute auf sogenannte naturnahe Waldbewirtschaftung, versucht also den urpsrünglichen Zustand zu ermitteln und wiederherzustellen.

 

Literatur

Birg, H. (2004): Die Weltbevölkerung. Dynamik und Gefahren. 2., aktualisierte Auflage. München: C.H. Beck.

Gebhardt, H. (2007): Postindustrielle Entwicklung. In: Glaser, R., Gebhardt, H. & Schenk, W. (Hrsg.): Geographie Deutschlands. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, S. 159-169.

Glaser, R. (2007): Landnutzung und Vegetation. In: Glaser, R., Gebhardt, H. & Schenk, W. (Hrsg.): Geographie Deutschlands. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, S. 53-65.

Grabski-Kieron, U. (2007): Geogrpahie und Planung ländlicher Räume in Mitteleuropa. In: Gebhardt, H., Glaser, R., Radtke, U. & Reuber, P. (Hrsg.): Geographie. Physische Geographie und Humangeographie. München: Elsevier, S. 602-615.

Schäfers, B. (2010): Stadtsoziologie. Stadtentwicklung und Theorien – Grundlagen und Praxisfelder. 2., überarbeitete und aktualisierte Auflage. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaft.

Schenk, W. (2007): Vor- und frühindustrielle (Kultur-)Landschaft. In: Glaser, R., Gebhardt, H. & Schenk, W. (Hrsg.): Geographie Deutschlands. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, S. 138-149.

Scholz, U. (2007): Strukturen und Probleme der ländlichen Räume in den Tropen. In: Gebhardt, H., Glaser, R., Radtke, U. & Reuber, P. (Hrsg.): Geographie. Physische Geographie und Humangeographie. München: Elsevier, S. 615-631.

Wießner, R. (1999): Ländliche Räume in Deutschland. Strukturen und Probleme im Wandel. In: Geographische Rundschau, 51(6), S. 300-304.